Magischer Mythos: "Bilanziell"

Deutschland macht Solarstrom "bilanziell" nachts nutzbar
Phantastische Physik und zauberhafte Zahlentricks

Vorbemerkung: Es geht hier nicht darum das Konzept Einspeisevergütung oder gar PV- oder Windstrom zu kritisieren. Es geht darum, den bundesdeutschen Aberglauben in Frage zu stellen: Windräder und Solaranlagen an sich könnten je nach Größe ganze Orte oder "xxx Haushalte bilanziell mit Strom versorgen". 

Fakt ist: Sie können keinen einzigen Haushalt zuverlässig "versorgen". Sie liefern allenfalls soviel Strom wie xxx Haushalte verbrauchen. Denn: Wind und Sonne liefern den Großteil ihre Stromes nicht zum direkten Verbrauch in die Haushalte. Denn Privathaushalte verteilen ihren Stromverbrauch über den Tag und die Nacht. Ein sogenanntes "Lastprofil" nennt für jede Viertelstunde des Tages eine gemittelte Leistungsaufnahme. Haushalte verbrauchen eher abends und nachts einen Großteil ihres Stromes. Nur ein Viertel bis ein Drittel fließt tagsüber durch die Steckdosen und könnte dann direkt von der Sonne kommen. 

Denn keine Solaranlage, weder am Balkon, auf dem Dach oder im Freiland kann bei Dunkelheit Strom liefern. Ein ausreichender Speicher wäre hier für den nächtlichen Verbrauch zwingend. Für Windanlagen gilt das Gleiche: Im Sommer weht der Wind wesentlich weniger. Im Winter ist er zwar eher stärker, hat aber auch tagelange Schwachwindphasen. Hierfür fehlen übrigens noch die notwendigen, gigantischen Speichermöglichkeiten, das 100 bis 1.000fache von noch realisierbaren, realistischen Batteriepufferspeicher. 

Produktionsbetrieb mit 100% Solarstrom?

Im Marktstammdatenregister.de sind z.B. die größeren PV-Anlagen eines Ortes mit einer ordentlichen Leistung abrufbar. Die Spalte "Volleinspeisung oder Teileinspeisung" gibt Auskunft, wie der Strom genutzt wird. Viele Anlagen, besonders ältere sind mit "Volleinspeisung" aufgeführt. 

Im Baujahr der Anlagen z.B. um 2010 herum, waren die Einspeisevergütungen noch sehr hoch. Daher war und ist die Volleinspeisung für den wirtschaftlichen Betrieb einer 2010 gebauten PV-Anlagen sehr vorteilhaft und wird es ab 2024 wohl noch einige Jahre lang sein. Die Einspeisevergütung wird bekanntlich 20 Jahren lang garantiert.
Die Dach-PV-Anlagen einer Brauerei erzeugen pro Jahr z.B. ca. 140 MWh an Strom bei einer Leistung von 140 kW. "Bilanziell" könnte nun die tagsüber(!) verkaufte PV-Volleinspeisungs-Energiemenge z.B. in einer Brauerei für Kühlung, Sudhaus, Abfüllung  etc, ebenso "bilanziell" sowohl tagsüber als auch nachts verbraucht werden. Praktisch und ökologisch wäre das zwar wünschenswert, geht aber praktisch nicht, "bilanziell" wird das aber ignoriert. 

Tagsüber wird Strom mehr oder weniger stetig verbraucht, der mehr oder weniger stetig erzeugt wird. Nachts wird dann vollkommen anderer Strom bezogen, der absolut nichts mehr mit der eigenen Produktion der eigenen PV-Anlage zu tun hat. Im besten Falle ist es abends und nachts bezogener Windstrom. Wasserstrom dagegen kommt meist aus Anlagen, die es schon lange vor der Klimadiskussion gab. Er kann daher nichts zu einer notwendigen schnellen Energiewende beitragen. "Bilanziell" wird das aber geflissentlich übersehen.

Dunkel ist es auch im Sommer, und Flauten mit schwachem Wind_sind häufiger und länger als gedacht

Tagsüber erzeugter PV-Strom läßt sich also nachts nicht mehr nutzen. Das Stromnetz selbst ist kein Speicher. Es wird im ständigen Echtzeitmodus betrieben. Jeder Stromverbrauch muß sekundengenau direkt eingespeist werden. Abends und Nachts stammt der Strommix in Deutschland bei Flaute, häufig im Sommer, noch immer zu großen Teilen aus fossilen Kraftwerken oder französischen Atomkraftwerken. 

Es bleibt die Frage zu klären: Wie hoch in etwa der Strom- und Wärmebedarf eines Betriebes, etwa einer Brauerei und welches Lastprofil ergibt sich beim Brauen, im Sudhaus und in der Kühlung?

Wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll sind PV-Anlagen auf Industriedächern allemal, keine Frage.
Jede Firma mit PV auf ihren Industriedächern bringt die Energiewende voran. Nur: "Bilanziell" einen Zusammenhang zwischen PV auf dem Dach und dem Energieverbrauch der Betreiberfirma herzustellen, bringt die Energiewende dann aber nicht weiter. Der Anteil der Erneuerbaren am Strom steigt stetig. Derzeit ist er nahe bei 60%. (Heiz-)Wärme hat aber fast immer ein wesentlich größerer Anteil am Gesamtenergieverbrauch. Diese häufig mit Erdgas betriebenen Anlagen für Prozesswärme oder Heizung, laufen auch nachts und vermehrt im Winter. Eine direkte "bilanzielle" Verrechnung ist alberne Zahlenspielerei.

Ein Busunternehmen eine 300 kW-Dachanlage. Das Busunternehmen könnte nun mit gleichem Recht behaupten: Wir betreiben Solar-Busse. Mit den möglichen 300 MWh der PV-Anlage könnten "bilanziell" weit mehr als 100 eAutos oder x Busse betrieben werden. "Bilanziell" aber auch etwa 50 Verbrennerauto oder x eBusse. Der Strom in Deutschland wird durch die PV-Anlage etwas weniger CO2-belastet. Die faktischen Emissionen aus den Bussen oder dem Gasverbrauch der Brauerei ändern sich aber bei einer Volleinspeisung des PV-Stromes nicht.

Das Wörtchen "bilanziell" wird gerne genutzt, um Äpfel mit Birnen zu vergleichen, "bilanziell" ist ein Kilo Äpfel eben auch gleich ein Kilo Birnen ... Bilanziell kann ein große PV- oder Windanlage hunderte Haushalte versorgen. Dass nachts keine und nie die Sonne scheint und der Wind im Sommer tagelang Flaute schiebt, das wird bilanziell und in einschlägigen Presseberichten leider nicht erwähnt. 

Faktisch und täglich wäre aber eine derartige "bilanzielle" Stromversorgung das reine Chaos und würde keinerlei solide zuverlässige "Stromversorgung" erlauben. Die ausreichende Unterstützung durch flinke Batteriepuffer und leistungsfähige Langzeitspeicher mit zugehörigen Stromerzeugern für mehrere Tage und Wochen muß nicht nur bilanziell mitgedacht, sondern konkret mit geplant und mit-gebaut und zuverlässig mit-betrieben werden.